Verfassungsschutz-Chef Haldenwang als Romanfigur von „1984“

Verfassungsschutz-Chef Haldenwang als Romanfigur von „1984“

George Orwells Roman „1984“ zeigt die Dystopie eines totalen Überwachungsstaats. Der Hauptprotagonist, Winston Smith, erkennt darin die Maßnahmen der Staatspartei „Sozialistische Partei Englands“. Diese Maßnahmen im gesellschaftlichen Miteinander dienen einzig und allein der Herrschaftssicherung dieser Partei. Sie zielen darauf ab, die Gedanken der Untertanen zu kontrollieren. Ein Mittel der Staatspartei, um dieses Ziel zu erreichen, besteht darin, permanent einen Krieg mit den beiden noch bestehenden Supermächten aufrechtzuerhalten, um von den realen Problemen der Bevölkerung abzulenken.

Ein anderes Mittel ist es, jeden Schritt der Bevölkerung durch die Gedankenpolizei genauestens zu überwachen und zu sanktionieren. Die von der Partei eingeführte „Neusprache“ soll „schädliche Begriffe“ wie „Gerechtigkeit“, „Moral“ und „Demokratie“ ersetzen. Von den Bürgern wird verlangt, die drei Parolen der Partei zu verinnerlichen. Diese drei Parolen stehen geschrieben am Ministerium für Wahrheit.

Sie lauten: „Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke.“

Man könnte meinen, dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, den Roman „1984“ gelesen hat. So erklärte Thomas Haldenwang auf einer Diskussionsveranstaltung, die der öffentlich-rechtliche SWR ausgerichtet hatte, dass die „Aktivisten“ der Organisation „Letzte Generation“ aus seiner Sicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen und somit kein Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz seien. Die Begehung von Straftaten mache die Gruppierung nicht extremistisch. Extremisten würden den Staat, die Gesellschaft und die freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage stellen. Haldenwang wird zitiert mit den Worten:

„Also anders kann man eigentlich gar nicht ausdrücken, wie sehr man dieses System eigentlich respektiert, wenn man eben die Funktionsträger zum Handeln auffordert.“1

Demgegenüber steht die Forschung zum Thema Extremismus. Es wird allgemein als wesentlicher Bestandteil des Extremismus angesehen, dass die Protagonisten gesellschaftliche Randgruppen seien, die zentrale gesellschaftliche Werte unterwandern und austauschen wollen. Extremismus gehe in der Regel einher mit ausgeprägter Ablehnung anderer Meinungen, einer Neigung zu Vorurteilen, Dogmatismus und Missionierung von Andersdenkenden, um sie für die eigene Sache zu gewinnen.2

Betrachtet man nun die Taten der Mitglieder von „Letzte Generation“, sind die Fakten eindeutig.

Ihre Mitglieder sind es, die seit Monaten Kunstwerke beschädigen, sich auf Straßen und Autobahnen, in Konzertsälen oder in Galerien ankleben, die bevorzugt Farbanschläge auf Gebäude staatlicher Behörden oder Verfassungsorgane sowie auf die Geschäftsstellen politischer Parteien3 verüben und die neulich ein komplettes Flugverkehrschaos verursachten, als ihre Mitglieder sich am Flughafen BER auf der Rollbahn anklebten. Zahlreiche Flüge fielen aus oder mussten umgeleitet werden. Eine gleichartige Aktion verübten ihre Mitglieder am 8.12.2022 auch am Münchener Flughafen.4 Dass Rettungskräfte aufgrund einer Straßenkleber-Blockade mehrere Minuten lang nicht zur Einsatzstelle vordringen konnten, um zu einer verunglückten Radfahrerin zu gelangen und diese Radfahrerin inzwischen verstorben ist5, war der bisherige Höhepunkt der Gemeinschädlichkeit dieser Straftäter-Organisation.

Die Aktivisten von „Letzte Generation“ sind kein Teil des demokratischen Spektrums, wie auch die Solidarität der Interventionistischen Linken mit ihnen zeigt.6 Sie missachten ganz bewusst den Parlamentarismus und die demokratische Willensbildung im Verfassungsstaat, weil sie sich nicht um die Überzeugungen der gewählten Abgeordneten oder um die Beschlüsse der Volksvertretung scheren. Sie interessiert auch nicht die Bindung des staatlichen Handelns an Recht und Gesetz oder die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Legislative. Ihnen geht es einzig darum, fernab aller grundgesetzlichen Verpflichtungen und Institutionen ihre Agenda durchzusetzen. Sie wenden sich gerade gegen eine Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit, weil sie mit ihren Aktionen die Umsetzung ihrer Forderungen entgegen allen demokratischen Mehrheiten erzwingen wollen. Schon in seinem Urteil vom 23.10.1952 (Az.: 1 BvB 1/51) hat das Bundesverfassungsgericht just diese Punkte allerdings als freiheitlich-demokratische Grundordnung definiert. Es wäre (theoretisch) die Aufgabe eines Bundesamtes für Verfassungsschutz, auf die Bewahrung dieser freiheitlich-demokratischen Grundordnung hinzuwirken. All dies weiß Thomas Haldenwang. Es ist daher davon auszugehen, dass er der Organisation „Letzte Generation“ ganz bewusst einen Freibrief seiner Behörde erteilt. Ob deren Mitglieder Straftaten begehen oder zentrale Verfassungsgrundsätze zerstören wollen, interessiert Herrn Haldenwang offenbar nicht. Die Ziele von „Letzte Generation“ heiligen anscheinend jedes Mittel. Schließlich ist die „Letzte Generation“ ja in keiner Weise rechts gerichtet.

Denn, und das muss man sich einmal vorstellen:

Dieser Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, hat erst im Januar des Jahres 2022 in Bezug auf die zehntausenden Menschen, die gegen die Corona-Maßnahmen spazieren gingen, öffentlich vor einer neuen Szene von Staatsfeinden unter den Demonstranten gewarnt. Diese verbinde keine ideologische Klammer, sondern die Verachtung des demokratischen Rechtsstaates und seiner Repräsentanten.7

Und wie reagiert die Bundesregierung? Setzt sie Herrn Haldenwang endlich ab, bittet sie öffentlich um Entschuldigung und vergibt sie das Amt des Direktors im BfV neu? Nichts dergleichen. Auf meine schriftliche Frage hin, ob die Bundesregierung die Auffassung von Thomas Haldenwang teile, wonach eine Aufforderung der Regierung zum Handeln im eigenen Sinne trotz der Begehung von Straftaten sich nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten könne, hat die Regierung mir geantwortet. So teilt die Bundesregierung mir auf meine Frage mit der Arbeitsnummer 11/365 lapidar mit, dass die Begehung von Straftaten nicht mit Extremismus gleichzusetzen sei. Aus der „aufgabenbezogenen Sicht des Verfassungsschutzes“ sollten jedoch „keine Fehlschlüsse“ gezogen werden. Wenn Straftaten begangen und andere Menschen gefährdet werden, sei die Grenze legitimen Protests schnell überschritten. Tatverdächtigte müssten schnell und konsequent verfolgt werden, und nicht erst, wenn eine verfassungsfeindliche Motivation hinzutrete.

Thomas Haldenwang kann also weiter ungehindert seine kruden extremismustheoretischen Thesen verbreiten. Ob die Opfer seiner Herabsetzungen Straftaten begehen oder nicht, muss für ihn als Verfassungsschützer keine Rolle spielen. Irgendeinen Weg wird Herr Haldenwang schon finden, um Demokraten zu Extremisten und Extremisten zu Demokraten zu erklären, um seinen Gönnern in der Bundesregierung zu gefallen. Es geht dem Bundesamt für Verfassungsschutz nicht darum, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beschützen. Das hat sich einmal mehr gezeigt. Bitte wundern sie sich also nicht, wenn demnächst am Bundesamt für Verfassungsschutz folgende Wörter prangen:

 „Demokraten sind Extremisten. Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke. Extremisten sind Demokraten.“

Sie werden wissen, welche Bedeutung Sie den Worten von Herrn Haldenwang beimessen dürfen.

Ihr Steffen Janich MdB

Quellen:

  1. Tichys Einblick: „Haldenwang und die „Letzte Generation“: Vom Verfassungsschutz zum Gesinnungsschutz

  2. Focus online: „Was bedeutet Extremismus? Definition und Beispiele“

  3. BZ: „Letzte Generation“ attackiert Parteizentralen und klebt in Friedrichshain
  4. RP-online: „“Letzte Generation“ blockiert Münchener Flughafen“

  5. MDR Brisant: "LETZTE GENERATION"-„KLEBEPROTEST IN BERLIN - VERUNFALLTE RADFAHRERIN GESTORBEN“

  6. Tagesstimme: „Letzte Generation“ – Kooperation mit Linksextremisten veröffentlicht
  7. BR24: „Haldenwang: Bei Corona-Protesten neue Szene von Staatsfeinden“

  • Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage Nr. 11/365

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