Bundesregierung ermächtigt Robert-Koch-Institut zum Ersatzparlament und Michael Kretschmer vergießt Krokodilstränen!

Bundesregierung ermächtigt Robert-Koch-Institut zum Ersatzparlament und Michael Kretschmer vergießt Krokodilstränen!

Die Meldung kam überraschend. Beinahe alle großen Medienhäuser berichteten, dass das Robert-Koch-Institut (RKI) die Dauer des Status "genesen" für zuvor an Covid-19-Erkrankte von 180 auf 90 Tage gesenkt hat. Selbst der sächsische Ministerpräsident, welcher bislang alle Beschlüsse der Bundesregierung gegen das eigene Volk durchsetzt, hat diese Entscheidung kritisiert. Es stellt sich allerdings die Frage, wieso das RKI als nicht direkt demokratisch legitimierte Organisation dies in eigener Verantwortung überhaupt wirksam beschließen darf.

Schließlich ist der Deutsche Bundestag das zentrale zur Gesetzgebung berufene Organ in der Bundesrepublik Deutschland. Ich nehme diese Frage zum Anlass, um den rechtlichen Zusammenhang einmal aufzuschlüsseln. Schon im März des Jahres 2020 hat die Altparteien-Mehrheit im Deutschen Bundestag erstmals die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung Ausnahmen vom Infektionsschutzgesetz, also einem Parlamentsgesetz, zu erlassen. Inzwischen enthält § 28c des Infektionsschutzgesetzes eine Ermächtigung der Bundesregierung, durch Rechtsverordnung für Covid-19-Genesene Ausnahmen von Geboten oder Verboten zu den Corona-Regelungen im Infektionsschutzgesetzes zuzulassen. Immerhin steht eine solche Verordnung unter dem Zustimmungsvorbehalt von Bundestag und Bundesrat. Mit der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) hat die Bundesregierung von dieser Ermächtigungskompetenz Gebrauch gemacht. 

Diese Verordnung wurde zuletzt am 14.1.2022 geändert. Seit dieser Änderung sieht § 2 Nr. 5 der SchAusnahmV vor, dass ein Genesenennachweis dann einen Nachweis über das Vorliegen eines durch eine vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus darstellt, wenn sich ihm in Übereinstimmung mit den unmittelbaren Hinweisen auf der Webseite des RKI unter anderem die Zeit entnehmen lässt, welche die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion höchstens zurückliegen darf. Das heißt nichts Anderes, als dass die Verordnung ausdrücklich vorsieht, dass die jeweils aktuelle "wissenschaftliche Einschätzung" des RKI zur Dauer des Genesenenstatus auf ihrer Webseite unmittelbar in Rechtskraft erwächst. Die Verordnung stellt es dem RKI frei, ob ein Genesenenstatus im alltäglichen Rechtsverkehr drei Tage, drei Monate oder drei Jahre lang gültig sein soll. Eine derartige Ermächtigungskompetenz des RKI widerspricht auch den gefestigten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, welches deutlich macht, dass die Grenze für die Übertragung von gesetzgeberischer Kompetenz auf die Exekutive dort liegt, wo der Gesetzgeber Vorschriften von solcher Bedeutung und in solchem Umfang für subsidiär erklärt, dass sich dadurch innerhalb des Staatsgefüges eine Gewichtsverschiebung zwischen gesetzgebender Gewalt und Verwaltung ergibt. Sinn der Regelung in Art. 80 Absatz 1 des Grundgesetzes ist es nämlich, das Parlament daran zu hindern, sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft zu entäußern. Eine Übertragung der Gesetzgebungsmacht muss Grenzen haben und diese nach Tendenz und Programm so genau umreißen, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (BVerfGE 8, 155 (171)). 

Der entsprechenden Änderung der Verordnung haben auch die sächsischen Vertreter im Bundesrat zugestimmt. Die vier ordentlichen Mitglieder aus Sachsen im Bundesrat sind die Vertreter der Sächsischen Landesregierung Michael Kretschmer (Ministerpräsident, CDU), Martin Dulig (Staatsminister, SPD), Wolfram Günther (Staatsminister der Grünen) und Oliver Schenk (CDU-Staatsminister). Dass Ministerpräsident Kretschmer jetzt beklagt, dass das RKI von genau der Kompetenz Gebrauch macht, welche er ihm verliehen hat, darf als pure Heuchelei bezeichnet werden. Damit nicht genug: so enthält § 7 der genannten Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung auch die Ermächtigung der Landesregierungen, Erleichterungen und Ausnahmen von den landesrechtlichen Geboten oder Verboten für Geimpfte, Genesene und getestete Personen zu regeln. Von dieser Ermächtigung hat Herr Kretschmer seither nicht aktiv Gebrauch gemacht.

Meine Schlussfolgerung als Bundestagsabgeordneter ist ganz eindeutig:

Die Bundesregierung hat dem Robert-Koch-Institut eine Blankettvollmacht zur Regelung von gesetzgeberischen Entscheidungen verliehen, welche in die Kernkompetenz eines gewählten Parlamentes gehören. Nicht das RKI, sondern die Bundestagsabgeordneten sind demokratisch gewählte Vertreter des deutschen Volkes und haben die wesentlichen Entscheidungen der Gesetzgebungsmacht zu treffen. Hierzu gehört auch die Dauer eines gültigen Genesenenstatus für Menschen, die bereits an Covid-19 erkrankt gewesen sind. Dass Ministerpräsident Michael Kretschmer und seine Getreuen von SPD und Grünen dieser Verordnung zugestimmt haben, ist grob fahrlässig. Wenn sich allerdings Herr Kretschmer nun darüber echauffiert, dass die Bürger innerhalb von wenigen Stunden erfahren hätten, dass es ihren Impf- oder Genesenenstatus nicht mehr gebe und eine Entschuldigung der Politik fordert, ist das pure Heuchelei. Herr Kretschmer sollte selbst die Verantwortung vorleben, welche er zurecht von der Bundesregierung einfordert. Die sächsischen Wähler sind nämlich viel zu schlau, um sich von Herrn Kretschmer für dumm verkaufen zu lassen. Treten Sie zurück, Herr Kretschmer!

Quellen:

  1. 28c IfSG
  2. Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung - SchAusnahmV)
  3. Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung (Änderungsgesetz)
  4. Protokoll über den Beschluss 8/22 des Bundesrates zur "Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung" vom 14. Januar 2022
  5. Meldung von MDR Sachsen online vom 24.1.2022: "Sachsen bleibt wegen Omikron vorsichtig"

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