Viele Bürger haben uns in den vergangenen Tagen und Wochen gefragt, was sie sich hinter dem neu geschaffenen „Territorialen Führungskommando“ der Bundeswehr verbirgt. Nicht wenige waren verunsichert und hatten die Sorge, dieses Führungskommando solle künftig polizeiliche Aufgaben im Inland wahrnehmen. In den sozialen Medien machte ein Schreiben die Runde, nach dessen Inhalt eventuell bewaffnetes Militär künftig auf den Straßen patrouillieren werde. Ich wollte das genauer wissen. Hierzu ist zunächst ein Blick auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen geboten.
Die grundsätzliche Verteilung der Kompetenzen zwischen dem Bund (inklusive der Bundeswehr) sowie den Ländern (inklusive der Polizei der Länder) bestimmt sich nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG). Die Generalklausel in Artikel 30 des Grundgesetzes bestimmt, dass die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder ist, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt. Grundsätzlich ist die Aufgabe der Bundeswehr die Landesverteidigung. Ein sonstiger Einsatz der Bundeswehr ist nur zulässig, wenn das Grundgesetz es ausdrücklich zulässt (Art. 87a Abs. 2 GG).
Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes zugunsten der Bundeswehr enthält Artikel 35 des Grundgesetzes in Bezug auf die Amtshilfe. So bestimmt dessen Absatz 2 in Satz 2, dass ein Land zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall die Polizeikräfte anderer Länder und die Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie der Bundespolizei und der Streitkräfte, also der Bundeswehr, anfordern kann. Das hat der Freistaat Sachsen etwa in Anspruch genommen, als in unserer Sächsischen Schweiz die Waldbrände wüteten und die Bundeswehr ihre Löschhubschrauber zur Verfügung stellte. Soweit eine derartige Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes gefährdet, kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen sogar die Weisung erteilen, ihre Polizeikräfte den anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten der Bundespolizei und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einzusetzen (Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG).
Eine weitere Spezialermächtigung enthält Artikel 87a Absatz 4 GG. Diese Norm besagt, dass die Bundesregierung die Streitkräfte im Einzelfall zur Unterstützung der Polizei und der Bundespolizei beim Schutz von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen darf. Diese Ermächtigung erfordert aber das Vorliegen einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes. Das betroffene Land darf selbst nicht willens oder muss außerstande sein, diese Gefahr zu bekämpfen. Darüber hinaus kommt der Bundeswehreinsatz auch nur als letztes Mittel in Betracht, wenn die Polizeikräfte der Landespolizei und der Bundespolizei nicht ausreichen. Der Einsatz der Bundeswehr zur Bekämpfung von Aufständischen ist darüber hinaus einzustellen, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es verlangen.
Sie merken sicher, dass die rechtlichen Hürden für einen derartigen rechtmäßigen Bundeswehreinsatz enorm hoch liegen. Die Tatbestandsvoraussetzungen umfassen organisierte und militärisch bewaffnete Aufständische. Das geht weit über die Durchführung von gewöhnlichen Versammlungen hinaus, selbst wenn derartige Versammlungen einen gewalttätigen Verlauf nehmen. Der Bestand oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung werden auch nicht ohne weiteres dadurch gefährdet, wenn Menschen sich zu einer Kundgebung versammeln. Außerdem ist es kaum vorstellbar, dass ein Land selbst unter Zuhilfenahme von anderen Polizeieinheiten nicht imstande ist, dieser Gefährdung Herr zu werden.
Ich habe darüber hinaus zur Beleuchtung der Zuständigkeit des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr zwei detaillierte Fragen an die Bundesregierung gerichtet. So habe ich die Bundesregierung gefragt, welche konkreten Aufgabe das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr wahrnehmen wird und inwieweit es hierbei Schnittmengen mit dem Zivil- und Katastrophenschutz gibt. Ebenso habe ich mich danach erkundigt, aus welchen Truppengattungen sich die Dienstposten in diesem Kommando zusammensetzen werden und ob dessen Einheiten auch polizeiliche Aufgaben im Inland wahrnehmen sollen.
Eine Staatssekretärin aus dem Bundesverteidigungsministerium hat mir mit Schreiben vom 21. September 2022 geantwortet:
„Das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr (TerrFüKdoBw) koordiniert als höhere Kommandobehörde die bundeswehrgemeinsame Erfüllung von Aufgabenanteilen, die im Frieden sowie im Spannungs- und/oder Verteidigungsfall in nationaler Verantwortung wahr- genommen werden. Zudem stellt es die nationale territoriale Führungsfähigkeit sicher und verantwortet die operative Führung nationaler Kräfte im Rahmen des Heimatschutzes und dabei insbesondere zur subsidiären Hilfeleistung bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen sowie im Rahmen der Nationalen Territorialen Verteidigung, einschließlich der erforderlichen Zivil-Militärischen Zusammenarbeit. Ergänzend nimmt das TerrFüKdoBw die Aufgaben als aufmarschführendes Kommando für nationale Verlegungen im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung wahr, koordiniert die Verlegung alliierter Kräfte durch Deutschland und verantwortet den Host Nation Support. Darüber hinaus führt es truppendienstlich die unterstellten Landeskommandos, das Multinational CIMIC Command, die deutschen Anteile des Joint Support and Enabling Command und des Multinationalen Kommandos Operative Führung, die Bereiche der Truppenübungsplatzkommandanturen sowie das Wachbataillon BMVg. Ergänzend stellt es bei Bedarf Kräfte für einen Nationalen Krisenstab der Bundesregierung bereit. Aus diesem Auftrag heraus werden sich auch Arbeitsbeziehungen zum Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes ergeben. Die Streitkräfte nutzen dazu ein flächendeckendes und etabliertes, an der föderalen Struktur ausgerichtetes „Territoriales Netzwerk“ mit entsprechender Führungsorganisation. Die Bundeswehr hält in diesem Zusammenhang für die Zivil-Militärische Zusammenarbeit mit dem TerrFüKdoBw sowie den Landeskommandosund den Bezirks- und Kreisverbindungskommandos ebenengerechte und regional organisierte Fähigkeiten für einen umfassenden Informationsaustausch, für eine militärisch-fachliche Beratung, eine ständige Abstimmung und enge Kooperation mit den zivilen Stellen vor, um so die Reaktionsfähigkeit in allen Lagen zu gewährleisten.“
Hieraus ergibt sich also, dass das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr in Friedenszeiten die entscheidende nachgeordnete Stelle sein wird, die über Hilfeleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen entscheidet (somit gemäß Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 GG handelt). Es verantwortet nach der Auskunft der Bundesregierung künftig also auch die Führung und den Kommunikationsaustausch der Bundeswehr in den Fällen, in denen die Bundeswehr im Katastrophenschutz tätig wird. Die sonstigen betroffenen Aufgabenbereiche greifen nur im Spannungs- oder Verteidigungsfall (sprich: im Krieg) und nicht in Friedenszeiten oder betreffen ein Tätigwerden der Bundeswehr zum Zwecke der Landes- und Bündnisverteidigung.
In Bezug auf die Zusammensetzung und zur Frage nach der Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben im Inland teilt die Bundesregierung darüber hinaus mit:
„Das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr (TerrFüKdoBw) wird zum 1. Oktober 2022 aufgestellt. Die Ausplanung der Feinstruktur des TerrFüKdoBw und damit auch die konkrete Ausgestaltung der Dienstposten ist noch nicht abgeschlossen. Daher wird eine temporäre Arbeitsgliederung eingenommen. Die Dienstposten im TerrFüKdoBw werden nicht truppengattungsspezifisch ausgebracht, sondern richten sich maßgeblich an den erforderlichen dienstpostenspezifischen Fähigkeiten der wahrzunehmenden Aufgaben, sowie an den Uniformträgerbereichen (Heer, Luftwaffe, Marine) aus. Polizeiliche Aufgaben im Inland werden auch nach Aufstellung des TerrFüKdoBw aus- schließlich durch die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder wahrgenommen.“
Die Bundesregierung teilt mir offenbar (noch) nicht mit, welche Truppenteile konkret dem Kommando angehören werden. Sie legt sich aber anderweitig fest und verspricht, dass das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr keine polizeilichen Aufgaben im Inland wahrnehmen wird.
Wichtig zu bemerken ist, dass mit der Gründung des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr keine neuen rechtlichen Befugnisse für die Bundeswehr im Inland geschaffen werden. Natürlich kann man nie ausschließen, dass eine amtierende Regierung nichtsdestotrotz die Bundeswehr im Inland einsetzen möchte. Eine Rechtsgrundlage hierfür existiert jedoch außerhalb der beschriebenen bisherigen Fälle auch künftig nicht. Und darauf, dass das so bleibt, wird die AfD-Bundestagsfraktion achten.
Ihr Steffen Janich
Quellen:
1. Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 9/207 des Abgeordneten Steffen Janich vom 14. September 2022
2. Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 9/209 des Abgeordneten Steffen Janich vom 14. September 2022