Änderungen des Bundeszentralregistergesetzes als trojanisches Pferd der Ampel-Koalition zur Verschärfung des Volksverhetzungsparagraphen

Änderungen des Bundeszentralregistergesetzes als trojanisches Pferd der Ampel-Koalition zur Verschärfung des Volksverhetzungsparagraphen

In dieser Woche wird in den Ausschüssen des Deutschen Bundestags ein Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes beraten (BT-Drs.: 20/3708). In letzter Sekunde brachte die Ampelkoalition, bestehend aus SPD-, Grünen- und FDP-Fraktionen einen Änderungsantrag in den Rechtsausschuss ein. Das im Titel des Gesetzes genannte Bundeszentralregistergesetz lässt indes nicht auf den Inhalt des Änderungsantrages schließen. So behandelt der Änderungsantrag einen völlig anderen Bereich. Offensichtlich möchte die Koalition klammheimlich Fakten schaffen. So versucht sie, im Rahmen eines "Omnibusgesetzes" still und heimlich die Strafbarkeit der Volksverhetzung zu verschärfen.

Normalerweise findet die erste Lesung eines Gesetzes im Plenum statt. Das Gesetz wird danach in die Ausschüsse überwiesen. Nach der Beratung in den Ausschüssen erfolgt regulär eine Rücküberweisung in das Plenum, wo das Gesetz in zweiter und dritter Lesung entweder beschlossen oder abgelehnt wird. Bei einem Omnibusgesetz hingegen „spart“ sich die herrschende Koalition die erste Lesung und beschließt erst in der Ausschussberatung einen Änderungsantrag zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Das ist zwar zulässig und in Teilen auch sinnvoll, etwa wenn der ursprüngliche Gesetzentwurf Mängel im Hinblick auf die Rechtsförmlichkeit aufweist. Grenzwertig wird es jedoch dann, wenn der Änderungsantrag Änderungen an solchen Rechtsgebieten vorsieht, die mit dem ursprünglichen Gesetzentwurf nicht das Geringste zu tun haben.

Dieses Mittel, die erste Lesung zu umgehen, kennen wir bereits aus der letzten Wahlperiode. Der Vorteil für die Regierenden liegt auf der Hand:

Bei einer Umgehung der ersten Lesung im Bundestag setzt sich die Koalition auch einmal weniger der Transparenz ihres Vorhabens und damit erforderlichenfalls auch der Kritik der AfD-Fraktion aus. Auch die Presse nimmt von einem Omnibusgesetz aus einer nicht öffentlichen Ausschusssitzung nicht in gleicher Weise Kenntnis wie von einer Plenumsberatung in der Ersten Lesung. Die Transparenz des hoheitlichen Handelns wird hierdurch erheblich eingeschränkt; möglicher Protest der Bevölkerung vor der Verabschiedung des Gesetzes im Keim erstickt.

Die damalige Koalition aus CDU- und SPD-Fraktion versuchte in der 19. Wahlperiode bereits erfolgreich, Änderungen am Infektionsschutzgesetz mittels eines Omnibusgesetzes durchzusetzen. Damals stellte sie ihren Antrag zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes im Sinne der Corona-Maßnahmen zu einem Gesetz zum Schutz von Gerichtsvollziehern (https://dip.bundestag.de/vorgang/gesetz-zur-verbesserung-des-schutzes-von-gerichtsvollziehern-vor-gewalt-sowie/273050). Die jetzige Ampel-Koalition möchte ihren Vorgängern in dieser fragwürdigen Tradition offenbar nicht nachstehen.

So „bereichert“ die Koalition ihr Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) um Weiterungen im Strafgesetzbuch (StGB). Eine Änderung des materiellen Strafrechts hat jedoch nicht das Geringste mit dem BZRG zu tun. Der bereits heute im internationalen Vergleich sehr repressiv ausgestaltete Paragraph zur strafbaren Volksverhetzung soll um einen neuen Absatz 5 erweitert werden.

Dieser wird künftig wie folgt lauten:

„(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.“

Tathandlung ist also das öffentliche oder in einer Versammlung erfolgende Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Handlungen gemäß dem Völkerstrafgesetzbuch. Das umfasst Leugnungen der völkerstrafrechtlichen Tatbestände des Völkermordes, eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen gegen Personen oder gegen humanitäre Operationen sowie Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung.

Diese neue Norm wird in der Praxis erhebliche Anwendungsprobleme aufwerfen. Zunächst einmal ist unklar, wann denn tatsächlich das Vorliegen eines völkerstrafrechtlichen Kriegsverbrechens vorliegt. Beileibe nicht jedes Kriegsverbrechen landet vor Gericht. Man denke nur an die zahlreichen Freiwilligen mit deutschem Pass, die sich dem Islamischen Staat in Syrien und der Levante angeschlossen haben. Zahlreiche Fälle von Völkermord und Versklavungen an christlichen und jesidischen Mädchen sind überliefert. Nur ein Bruchteil dieser Taten ist von einem Gericht als solches beurteilt worden. Zählen als Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch nun nur diejenigen Taten, welche von einem rechtsstaatlichen Gericht rechtskräftig als solche erkannt worden sind, oder kommt es auf die formell-rechtliche Einstufung durch ein Gericht gar nicht an? Der Wille des Gesetzgebers zu letzterem ergibt sich zwar nicht aus der Norm, aber aus der Begründung des Änderungsantrages. Obwohl der der Änderung zugrunde liegende EU-rechtliche Rahmenbeschluss zumindest teilweise eine Beschränkung der Strafbarkeit auf Äußerungen zu solchen Völkerrechtsverbrechen vorsah, die von einem nationalen oder internationalen Gericht endgültig festgestellt worden sind, möchte die Koalition von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen.

Nimmt man allein die materielle Tat zum Maßstab dessen, was man straflos nicht leugnen darf, wird sich der Anwendungsbereich des neuen Absatz 5 auf eine Vielzahl von Fällen erstrecken, in denen Leute sich über das Vorliegen einer Verbrechens nach dem Völkerstrafgesetzbuch nicht sicher sind, aber das Vorliegen einer solchen Tat zumindest für möglich halten und sich bei der Negierung dieser Taten mit dieser Möglichkeit abfinden. Um beim Beispiel Syrien zu bleiben: Eine Person, die aus einem Auslandsaufenthalt in Syrien zurückkehrt, und dort etwa selbst geforscht hat oder mit Unterstützern von Syriens Präsidenten Baschar al-Assad gesprochen hat und nunmehr trotz Restzweifeln öffentlich in Frage stellt, ob dieser Präsident tatsächlich Chemiewaffen gegen sein Volk eingesetzt hat, würde sich damit einer Strafandrohung von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe aussetzen.

Es wird auch sehr viele Fälle geben, in denen das Vorliegen von Kriegsverbrechen in bestimmten Konflikten aufgrund der selektiven medialen Berichterstattung schlichtweg nicht bekannt ist. Welcher Deutsche könnte bei einer öffentlichen Umfrage zum Krieg Saudi-Arabiens mit den Huthi-Rebellen im Jemen detaillierte Fakten nennen? Wem hierzulande ist bekannt, dass seit zwei Jahren ein Bürgerkrieg des äthiopischen und eritreischen Militärs mit den Tigray im Norden Äthiopiens stattfindet (https://www.srf.ch/news/international/krieg-in-aethiopien-tigray-konflikt-findet-kein-ende)? Einen Konflikt und potentiell begangene Kriegsverbrechen nicht zu kennen ist das Eine. Eine andere Frage ist es, ob die Unkenntnis und das In-Abrede-Stellen von Kriegsverbrechen („Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dort so schlimm ist…“) ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren nach sich ziehen sollte.

Daneben ist noch auf einen zweiten Aspekt hinzuweisen. § 130 Absatz 3 des Strafgesetzbuchs stellt es unter die Androhung einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 des Völkerstrafgesetzbuchs bezeichneten Art in einer den öffentlichen Frieden störenden Weise öffentlich oder in einer Versammlung zu leugnen oder zu verharmlosen.

Schutzzwecke der Norm sind das Andenken an die Opfer dieser Herrschaft und nicht etwa die Würde des einzelnen Opfers der nationalsozialistischen Diktatur, weil nach allgemeiner Auffassung in der Rechtswissenschaft mit dem Tod eines Menschen dessen Grundrechtsanspruch erlischt. Schutzzweck ist weiterhin die öffentliche Ordnung, die nach Meinung des Gesetzgebers gestört wird, wenn die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft in Abrede gestellt wird. Dieser Absatz 4 des § 130 Strafgesetzbuch stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein allgemeines Gesetz dar, sondern ein Sonderrecht, das eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze begründet (Beschluss des BVerfG vom 4. 11.2008, 1 BvR 2150/08).

Stellt man diesem Absatz, der die Leugnung von NS-Verbrechen unter Strafe stellt, dem neuen Absatz 5 gegenüber, so stellt man fest, dass in der neuen Norm nur das „gröbliche Verharmlosen“ von Kriegsverbrechen gegen ausgewählte Bevölkerungsgruppen strafbar ist. In Bezug auf die in der Zeit des Nationalsozialismus begangenen Taten reicht bei sonst ganz ähnlichen Tatbestandsvoraussetzungen hingegen eine „einfache“ Verharmlosung aus, um eine Strafbarkeit zu begründen.

Dieser Umstand begegnet Bedenken im Hinblick auf das grundgesetzliche Gleichbehandlungsgebot. Dieses aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes stammende Gebot schreibt es vor, wesentliches Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.

Es gibt jedoch aus Sicht des Verfassers keinen logischen Rechtfertigungsgrund dafür, das Verharmlosen von NS-Kriegsverbrechen, etwa an Homosexuellen oder Sinti und Roma, unter leichteren Voraussetzungen zu bestrafen als das Verharmlosen der Kriegsverbrechen, die das Osmanische Reich während des ersten Weltkrieges an den Armeniern begangen hat.

Die aus Sicht der Ampel-Koalition einzige Begründung hierfür liefert der Änderungsantrag zu dem Gesetz, das sich eigentlich mit dem Bundeszentralregister befasst:

„In Bezug auf die Tatvariante des Verharmlosens unterscheidet sich der vorgeschlagene neue § 130 Absatz 5 StGB von § 130 Absatz 3 StGB dadurch, dass nur das „gröbliche“ Verharmlosen tatbestandsmäßig sein soll. Es sind daher im Vergleich zur Verharmlosung des Holocausts erhöhte Anforderungen an die Verharmlosung der im neuen Absatz 5 genannten Völkerrechtsverbrechen zu stellen. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist es gerechtfertigt, dass der Bereich strafbarer Äußerungen in Bezug auf die Verharmlosung des Holocausts in § 130 Absatz 3 StGB etwas weiter gesteckt ist als derjenige für verharmlosende Äußerungen zu anderen Völkerrechtsverbrechen.“

Der bloße Hinweis auf den „Hintergrund der deutschen Geschichte“, was auch immer man darunter verstehen möchte (wohl eher nicht die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg oder die Übersetzung der Bibel durch Martin Luther), reicht nach dem Willen der Ampel-Koalition also aus, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Täter ähnlicher Taten sich bei Aussagen zu der einen Bevölkerungsgruppe strafbar machen, bei gleichen Aussagen zu einer anderen Bevölkerungsgruppe jedoch nicht.

Auch die Begründung der unterschiedlichen Strafandrohung für zwei ganz ähnliche Tathandlungen ist denkbar knapp gehalten:

„Als Strafandrohung sieht die neue Vorschrift Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre oder Geldstrafe vor. Trotz vergleichbarer Tathandlungen liegt die Obergrenze damit unterhalb des in § 130 Absatz 3 StGB vorgesehenen Höchstmaßes von fünf Jahren Freiheitsstrafe. Diese Abstufung erscheint geboten. Wegen der Einzigartigkeit des Holocausts müssen für dessen Billigung, Leugnung und Verharmlosung im Einzelfall höhere Strafen möglich sein als für vergleichbare Äußerungen betreffend andere Völkerrechtsverbrechen.“

Bei der Begründung des Änderungsantrages durch die Koalition ist der Wunsch alleiniger Vater des Gedankens. Anstatt sich dezidiert und mit dem gebotenen rechtswissenschaftlichen Tiefgang damit zu befassen, aus welchem Grund heraus wesentlich gleiche Taten wesentlich ungleich bestraft werden sollen, wird diese Begründung durch die Behauptung eines Zwanges des Gesetzgebers ersetzt, der tatsächlich nicht besteht:

Es „muss“ angeblich für die Billigung, Leugnung oder Verharmlosung des Holocausts wegen der Einzigartigkeit des Holocaust eine höhere Strafe möglich sein als für vergleichbare andere Völkerrechtsverbrechen. Tatsächlich ist sowohl dem Grundgesetz, der Europäischen Menschenrechtskonvention wie auch sonstigen internationalen völkerrechtlichen Verträgen, an die sich die Bundesrepublik Deutschland gebunden hat, jede Differenzierung des Strafmaßes bei Meinungsdelikten, welcher Art auch immer, fern. Dies zu erfassen, scheint fernab jeder rot-grün-gelber Vorstellungskraft zu sein.

All diese Themen hätten im Rahmen einer ersten Lesung im Deutschen Bundestag im Einzelnen diskutiert und zu einem auf der Debatte fußenden Ergebnis geführt werden können. Ein Verfahren, das wiederum von der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vorgesehen ist und das sich seit Jahrzehnten bewährt hat. Stattdessen umgeht die Ampel-Koalition im konkreten Fall jede parlamentarische Aussprache in erster Lesung hierzu und verhindert die Möglichkeit einer öffentlichen Anhörung mit Sachverständigen zu diesem Thema. Die Achtung vor dem Deutschen Bundestag und letztlich der parlamentarischen Demokratie hätte etwas Anderes geboten. Man kann nur hoffen, dass die Ampel-Koalition künftig nicht noch weitere trojanische Pferde in die Beschlussfassung führt.

Quelle:

Änderungsantrag der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung:
Zusammenstellung des Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes – Drucksache 20/3708 – mit den Beschlüssen des Rechtsausschusses (6. Ausschuss),
Ausschussdrucksache im Rechtsausschuss: 20(6)25

 

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