Transparenz bei Gesetzgebungsprozessen? Nicht mit Ihrer Bundesregierung!

Transparenz bei Gesetzgebungsprozessen? Nicht mit Ihrer Bundesregierung!

Das Prinzip der Gewaltenteilung gehört zu den zentralen Organisationsprinzipien des modernen Verfassungsstaates. Es trennt die staatliche Gewalt in die grundsätzlich voneinander getrennten Gewalten Gesetzgebung, Gesetzesausführung und Rechtsprechung. Die Gewaltenteilung drückt sich auch dadurch aus, dass die Legislativgewalt in Form des Deutschen Bundestages und die Exekutivgewalt in Form der Bundesregierung jeweils in eigener Organisation arbeiten.

Die einzelnen Fraktionen im Deutschen Bundestag, aber auch die einzelnen Abgeordneten erhalten ein Personalbudget, um eigene Gesetzentwürfe für die Beratung im Bundestag erstellen zu können. Referenten in Ministerien haben hingegen die Aufgabe, Gesetzentwürfe zur Einbringung durch die Regierung zu erstellen. Dieser Grundsatz wird dann durchbrochen, wenn einzelne Ministerien im Auftrag der Bundesregierung sogenannte Formulierungshilfen entwerfen. Hierunter versteht man Gesetzentwürfe und/oder Änderungsanträge zugunsten von einzelnen Fraktionen des Deutschen Bundestages.

Es ist ein gängiges Phänomen, dass die Bundesregierung zugunsten der Bundestagsfraktionen, die jeweils die Regierung stellen, Gesetzentwürfe verfassen lässt. Diese Entwürfe werden an die ausgesuchten Fraktionen weitergereicht und von diesen Fraktionen als eigene Initiativen in die Lesungen eingebracht. Nicht selten schreibt die Bundesregierung auch Änderungsanträge für die Koalitionsfraktionen, welche in den Ausschuss-Beratungen des Bundestages aufgesetzt werden. Es ist offensichtlich, dass Regierungsfraktionen, die auf diese Entwurfserstellung durch die Exekutive zurückgreifen können, einen zusätzlichen Vorteil in Gestalt von materiellen und personellen Ressourcen gegenüber der Opposition haben. Obwohl die Bundesregierung gegenüber allen Fraktionen des Bundestages, also auch gegenüber der AfD-Fraktion, zur Neutralität verpflichtet ist, privilegieren die Ministerien ausschließlich diejenigen Fraktionen mit erstellten Gesetzentwürfen, welche sich jeweils in einer Koalition befinden und die Regierung stellen. Dies sind aktuell die Ampel-Fraktionen. In der letzten Wahlperiode hat die Bundesregierung es bereits abgelehnt, auch die AfD-Fraktion in den Genuss solcher Auftragsarbeiten zu bringen.

Ich wollte mittels einer schriftlichen Frage von der Bundesregierung wissen, welche Referentenentwürfe in Gestalt von Gesetzen oder Änderungsanträgen die Ministerien der Bundesregierung in dieser Wahlperiode als Formulierungshilfen zugunsten von Bundestagsfraktionen erstellt haben. Außerdem wollte ich wissen, welche Fraktionen diese Auftragsarbeiten empfangen haben.
Die Antwort der Bundesregierung ist nichtssagend, aber dennoch aufschlussreich. Die Bundesregierung gibt keine konkrete Auskunft, sondern führt an, es läge ihr keine entsprechende statistische Erfassung vor. Mit anderen Worten: die Ministerien unterscheiden selbst nicht einmal danach, ob sie einen Gesetzentwurf für die Bundesregierung oder für einzelne, privilegierte Fraktionen im Bundestag verfassen. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf eine frühere Antwort zu einer ähnlichen Kleinen Anfrage.

Bemerkenswert ist folgendes: auch die Antwort der Bundesregierung auf diese Kleine Anfrage, die nur nach Formulierungshilfen für Gesetzentwürfe, nicht nach solchen für Änderungsanträge gefragt hat, verweist auf eine dritte Antwort der Bundesregierung. In diesem Dokument wiederum erklärt die Bundesregierung, dass alle Gesetzentwürfe auf den Internetseiten der jeweiligen Ressorts veröffentlicht werden. Die mit der Fragestellung gewünschten Informationen seien damit schließlich öffentlich zugänglich und abrufbar.

Dumm ist nur, dass sich auch auf den Webseiten der Ministerien keine zentrale Aufschlüsselung dazu entnehmen lässt, wie viele Gesetzentwürfe für die Ampel-Fraktionen und wie viele Gesetzentwürfe für die Bundesregierung erstellt worden sind. Im Übrigen gibt die Bundesregierung auch unumwunden zu, dass das händische Überprüfen der Aktenbände danach, wer der Empfänger dieser Entwürfe war, mit zumutbarem Aufwand nicht möglich wäre. Es scheinen daher nicht die Fähigkeit und auch nicht der Wille vorhanden zu sein, dem Gewaltentrennungsgrundsatz bei der Gesetzgebungsinitiativen überhaupt gerecht werden zu wollen.

Besonders kurios ist auch folgendes:

Die Bundesregierung brüstet sich damit, dass sie alle Drucksachen zu Gesetzentwürfen „in Umsetzung der Vereinbarung zur Erhöhung der Transparenz in Gesetzgebungsverfahren“ veröffentlichen würde. Hierzu verweist sie auf einen Internet-Link, der offenbar zu dieser Vereinbarung führen soll. Just diese URL existiert allerdings nicht.

Meine ernüchternde Erkenntnis lautet:

Ein verfassungsmäßiger Rechtsstaat erfordert eine strikte Trennung von gesetzgebender und gesetzesausführender Gewalt. Durchbrechungen dürfen nur im Einzelfall und in konkret nachvollziehbarer Weise möglich sein. Leider scheint es die Bundesregierung nicht zu kümmern, ob ihre Ministeriumsmitarbeiter gerade für die Ampel-Fraktionen oder für die Bundesregierung selbst arbeiten. Dieser ist eines Verfassungsstaates unwürdig. Dass die Bundesregierung von einer Erhöhung der Transparenz bei der Gesetzgebung spricht und hierzu ins digitale Nirwana verweist, bedarf keiner weiteren Interpretation.

Quellen:

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