Das Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes verpflichtet den Staat dazu, öffentliche Schutzräume für die Zivilbevölkerung vorzuhalten. Bund und Länder haben jedoch schon im Jahr 2007 entschieden, die noch vorhandenen öffentlichen Schutzräume aufzugeben. Über eintausend öffentliche Schutzräume in Deutschland wurden seitdem aus ihrer Zivilschutzbindung entwidmet.
Ein Papier aus dem Bundesinnenministerium, die „Konzeption Zivile Verteidigung“, hat zuletzt im Jahr 2016 die flächendeckende Bereitstellung von öffentlichen Schutzräumen für nicht realisierbar erklärt. Stattdessen hat das Bundesinnenministerium damals in Aussicht gestellt, Maßnahmen zur Härtung der Bausubstanz von Wohn- und Arbeitsgebäuden fördern zu wollen. Der Krieg in der Ukraine hat die Gefahren eines konventionellen Krieges in Europa wieder in das Bewusstsein der Menschen gebracht. Mehrere Stimmen haben gefordert, die Entwidmung öffentlicher Schutzräume rückgängig zu machen, um im Kriegsfall die Zivilbevölkerung bestmöglich vor Luftangriffen schützen zu können. Zuletzt gab es in Deutschland nur noch 599 öffentliche Schutzräume.
Ich wollte von der Bundesregierung wissen, ob sie entsprechende Pläne verfolgt, um die seit dem Jahr 2007 aufgegebenen öffentlichen Schutzräume zu reaktivieren. Außerdem wollte ich in Erfahrung bringen, ob die Bundesregierung die Anzahl der vorhandenen öffentlichen Schutzräume für ausreichend hält, wie lange eine angekündigte Bestandsaufnahme zu öffentlichen Schutzräumen dauern wird und welche Maßnahmen zur Härtung der Bausubstanz die Bundesregierung bisher schon gefördert hat. Hierzu habe ich eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt (Bundestags-Drucksache: 20/1600).
Die Antwort der Bundesregierung ist aus meiner Sicht eher ernüchternd. So teilt die Bundesregierung zwar mit, die Rückabwicklung der gerade einmal noch 599 bestehenden öffentlichen Schutzräume bis auf weiteres aussetzen zu wollen. Die derzeit durchgeführte Bestandsaufnahme zu diesen restlichen Schutzräumen solle aktuell deren Funktionsfähigkeit und Betriebsbereitschaft überprüfen und voraussichtlich im Spätsommer 2022 abgeschlossen sein. Konkrete Angaben dazu, ob die deutsche Zivilbevölkerung auf mehr öffentliche Schutzräume hoffen kann, trifft die Bundesregierung aber nicht. Das weitere Vorgehen im Bereich des Zivilschutzes möchte die Bundesregierung von einer erst noch durchzuführenden Bedrohungs- und Risikoanalyse abhängig machen.
Entgegen ihrer Ankündigung im Jahr 2016 hat die Bundesregierung aber nun zugegeben, dass sie bisher keinerlei Maßnahmen zur Härtung der Bausubstanz von Wohn- und Arbeitsgebäuden gefördert hat. In diesem Zusammenhang räumt die Bundesregierung auch ein, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe beauftragt wurde, eine Stellungnahme zu Schutzbauten zu erarbeiten.
Als ehemaligem Polizisten, der über zwei Jahrzehnte seines Berufslebens dafür eingesetzt hat, Menschen vor Gefahren jeder Art zu schützen, ist mir klar: Der Schutz von Menschenleben vor Kriegsschäden ist kein lästiges Übel, sondern eine der Kernaufgaben des Verfassungsstaates. Ich fordere eine Konzentrierung der Kräfte zur Beschleunigung der Bestandsaufnahme und gegebenenfalls einen Neubau von öffentlichen Schutzräumen. Die Bundesregierung sollte ihren Versprechen Taten folgen lassen und Baumaßnahmen zur Härtung der Gebäudesubstanz von Wohngebäuden endlich konkret und unbürokratisch fördern. Der Schutz von Menschenleben hat für mich erste Priorität. Ich werde an diesem Thema dran bleiben.
Ihr Steffen Janich
Quelle: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Zustand und Reaktivierung der öffentlichen Schutzräume in Deutschland“
Drucksache 20/1600 Kleine Anfrage - Zustand und Reaktivierung der öffentlichen Schutzräume in Deutschland