Nancy Faesers letztes Offensivgefecht

Nancy Faesers letztes Offensivgefecht

Ein Schauspiel der besonderen Art bot sich in der Sitzung des Bundestags-Ausschusses für Inneres und Heimat am 20.9.2023. Schon vor Beginn dieser Tagung war es schwer, in den Raum zu gelangen. Unzählige Journalisten, Kameraleute und Fotografen befanden sich vor dem Ausschuss-Saal im Paul-Löbe-Haus. Mehrere Abgeordnete der Altparteien drängten sich vor die Kameras in der Hoffnung, mediale Aufmerksamkeit zu erhalten. Auch die Zuschauerränge waren rammelvoll.

Sobald die Sitzung eröffnet wurde, begann der erste Streit zwischen einer Vertreterin der FDP-Fraktion und einem Parlamentarier der CDU-Fraktion. Die Abgeordnete der FDP griff die CDU dafür an, dass sie eine Änderung der Tagesordnung wünsche, während sie angeblich in der vorherigen Obleuterunde genau dieser Tagesordnung zugestimmt habe. Der Vertreter der CDU bestritt dies vehement und behauptete, er hätte eben dieser Tagesordnung widersprochen. Nun wiederum rügte der stellvertretende Ausschussvorsitzende den CDU-Mann dafür, dass er in unüblicher Weise Details aus der Obleuterunde öffentlich mache. Dass weitere Abgeordnete von FDP und Grünen sich im wörtlichen Sinne mit reichlich essbarem Popcorn eindeckten, bot einen metaphorischen Vorgeschmack auf die kommende Sitzung.

Mit einiger Verzögerung traf eine auffallend stark geschminkte Nancy Faeser im Ausschusssaal ein. Bevor Sie sich dem gesamten Ausschuss zuwandte, umarmte sie demonstrativ Ihre Parlamentarischen Staatssekretäre, sodass ein höhnisches „Oooohhhh“ durch den Saal ging. Man konnte annehmen, dass Nancy Faeser ihren Auftritt vorab perfekt einstudiert hatte.

Der gesamte Innenausschuss wartete gespannt auf Faesers Erklärung. Seit Wochen sind beinahe täglich neue Meldungen zu ihrem Umgang mit Arne Schönbohm, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, durchgesickert. In kurzem zeitlichem Zusammenhang zu einem Beitrag des Fernsehgaukler Jan Böhmermann hatte Nancy Faeser diesen zunächst suspendiert und dann versetzt. In einem Disziplinarverfahren kam raus, dass Schönbohm nichts vorzuwerfen war. Inzwischen klagt Arne Schönbohm deswegen gegen das Bundesministerium des Innern und für Heimat, gegen Nancy Faeser persönlich sowie gegen das ZDF. Besonders Nancy Faesers Umgang mit dieser Affäre gegenüber dem Parlament ist in der jüngeren Vergangenheit völlig unzureichend geblieben. Gleich zweimal blieb sie in der vergangenen Sitzungswoche Befragungen in Sondersitzungen des Innenausschusses fern und schickte stattdessen ihre Staatssekretärin Schwarzeluhr-Sütter vor. Diese blockte bisher alle Fragen der Abgeordneten ab und gab keinerlei nennenswerte Antworten. Hinzu kam, dass ein von der BILD-Zeitung geleakter Aktenvermerk ein Gespräch eines Unterabteilungsleiters im BMI mit der Innenministerin zusammenfasst, in welchen Faeser eine zweite Abfrage zu Daten über Arne Schönbohm beim Bundesamt für Verfassungsschutz angeordnet haben soll.

Nancy Faeser entschuldigte sich zuerst dafür, dass sie erst jetzt den Innenausschuss mit ihrer persönlichen Anwesenheit bedenke. Es sei falsch gewesen, sich nicht unverzüglich den Fragen der Abgeordneten zu stellen. Hierauf verlas sie eine Erklärung. Sie sprach davon, dass in ihrer Amtszeit das Vertrauensverhältnis zu Arne Schönbohm verloren gegangen sei. Zum ersten Mal hörten wir nun die Version, dass Schönbohms Umgang mit der Cybersicherheitslage seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine der angebliche Ausgangspunkt für diesen Vertrauensverlust gewesen sei.  Sie berief sich darauf, dass dienstliche Belange eine Versetzung im öffentlichen Dienst rechtfertigen könnten und darauf, dass sie im Unterschied zu ihren Vorgängern nach ihrem Amtsantritt die Behördenleiter ja zunächst in ihren Stellungen belassen habe. Daneben behauptete Faeser nun, dass Arne Schönbohm in der Fachwelt der Cybersicherheit einen schlechten Leumund besitze. Von dieser Seite aus habe er länger in der Kritik gestanden. Arne Schönbohm habe sich oftmals wenig kooperativ verhalten und sei zum Teil weisungswidrig, jedenfalls ohne Abstimmung mit seiner Fachaufsicht (gemeint ist ihr Innenministerium) vorgegangen. Weiterhin sei er schon unter Seehofer von dem Verbot betroffen gewesen, ohne Kontrolle der Fachaufsichtsbehörde Pressearbeit betreiben zu dürfen. Mit dem Beginn des Ukraine-Krieges sei die Rolle des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik enorm bedeutsam geworden. Schönbohm habe jede einvernehmliche Lösung zu einer Versetzung seiner Person auf eine gleichwertige Besoldungsstelle in anderer Position abgelehnt. Auf mich wirkten Faesers Einlassungen so, dass sie nachträglich mit möglichst viel Dreck auf einen Behördenleiter werfen wollte, der sich selbst nicht zu den Vorwürfen äußern konnte.

In Bezug auf das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bestritt Nancy Faeser vehement, diese „Behörde“ jemals politisch instrumentalisiert zu haben. Sie legte eine bewusste Pause ein, bis ein CDU-Mann sie fragte, ob sie hierfür mit Applaus gerechnet habe, was lautstark von den Ampel-Politikern kommentiert wurde. Beinahe flehentlich bat Nancy Faeser mehrfach darum, es solle doch kein Abgeordneter sie öffentlich mit dem Verdacht einer Instrumentalisierung des BfV in Verbindung bringen. Der Vorwurf einer Instrumentalisierung des BfV sei schließlich ungeheuerlich. Ein jeder, der sich für Deutschland engagiert, könnte die Innenministerin hierzu eines Besseren belehren. Nancy Faeser erging sich in einem Appell an die politische Verantwortung aller Abgeordneten, diese Unterstellungen zu ihren Lasten nicht weiter zu betreiben. Ein Widerruf dieser Unterstellung müsse Staatsräson sein. Hierfür erntete sie lautstarkes Gelächter, hatte Faeser doch ihrerseits durch ihr Schweigen bisher alles dafür getan, um die Affäre unter den Tisch zu kehren.

In der Fragerunde stellten gleich mehrere Abgeordnete die Frage, ob der von der BILD-Zeitung veröffentlichte Aktenvermerk über das Gespräch mit Nancy Faeser denn dann eine Fälschung sei, wenn sie das BfV niemals mit einer Nachüberprüfung von Schönbohm betraut habe. Hierauf, und dies war heute auffallend, versuchte Nancy Faeser mehrfach auszuweichen. Sie drückte sich um eine klares „Ja“ oder „Nein“ dazu, ob der Aktenvermerk das tatsächliche Gespräch von ihr mit ihrem Unterabteilungsleiter widergebe oder nicht. Vielmehr gab sie zu Protokoll, dass dienstliche Emails im öffentlichen Dienst häufig verzerrt und selektiv die Realität spiegeln würden. Erneut bettelte sie darum, man möge sie mit keiner Instrumentalisierung des BfV in Verbindung bringen. Im Gegenzug riefen mehrere Abgeordnete hinein, sie solle die gestellten Fragen vollständig beantworten, statt Forderungen zu stellen. Der Verfassungsschutzpräsident Haldenwang war ebenfalls im Innenausschuss geladen. Er behauptete ebenfalls, nicht ohne mehrfach vorab zu der ihm vorgesetzten Innenministerin Faeser zu blicken, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz zu keinem Zeitpunkt zu Arne Schönbohm gesondert ermittelt habe. Ausnahmen seien die obligatorischen Sicherheitsüberprüfungen von Schönbohm in den Jahren 2021 und 2016 gewesen. Nach einer Abfrage zu den bestehenden Daten zu Schönbohm vier Tage nach der Böhmermann-Sendung, auf welche das BfV mitteilte, dass zu Schönbohm nichts vorliege, habe Faeser auch keine weiteren Abfragen oder Nachforschungen zu diesem verlangt.

Insgesamt bewerte ich das Verhalten von Nancy Faeser heute als eine Flucht nach vorne. Sie hat offenbar versucht, den die Causa Schönbohm zunächst durch Schweigen und durch die eigene Abwesenheit in den Ausschusssitzungen zu vertuschen. Erst als der veröffentlichte Aktenvermerk aus dem BMI sie in Bedrängnis brachte, ist sie aus der Deckung gekommen. Die heutige Sitzung war von vielen emotionalen Reaktionen der Innenpolitiker innerhalb der Altparteien geprägt. Mehrfach gab es hitzige Diskussionen abseits des erteilten Wortes. CDU- und SPD-Abgeordnete überzogen sich oftmals mit Vorwürfen, sie würden wahlweise ihre Redezeit überziehen, hätten kein Recht sich in diesem Moment zu äußern, würden ihre Fragezeit nur für die Parteiwerbung zugunsten von Faeser nutzen oder würden schlichtweg die Unwahrheit verbreiten. Wir als AfD-Fraktion blieben vom Anfang bis zum Schluss der Sitzung ausgesprochen diszipliniert, aber hart in der Sache. Wir konfrontierten sie mit wörtlichen Zitaten des gegenständlichen Aktenvermerks. Der im Raum stehende Vorwurf, sie habe mit ihrem Unterabteilungsleiter zumindest eruiert, ob man das Bundesamt für Verfassungsschutz gegen Arne Schönbohm instrumentalisieren könne, um nachträglich eine Begründung für dessen Abberufung zu liefern, wurde heute nicht entkräftet. Nancy Faeser hat nicht bestritten, dass sie mit ihrem Unterabteilungsleiter genau hierüber gesprochen hat. Aus Sicht der AfD-Fraktion sollte Nancy Faeser, auch in Anbetracht ihrer bisherigen Salamitaktik gegenüber dem Parlament, die Konsequenz ziehen und noch vor der hessischen Landtagswahl von ihrem Amt als Innenministerin zurücktreten.

Ihr Steffen Janich MdB

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