Darf ich Tonaufnahmen von Polizeieinsätzen anfertigen?

Darf ich Tonaufnahmen von Polizeieinsätzen anfertigen?

Wenn Menschen die Durchführung einer polizeilichen Maßnahme während Protestaktionen gegen die Corona-Politik wie etwa die Feststellung von Personalien oder die Verhaftung eines Anderen auf der Straße mit ihren Smartphones visuell und akustisch aufnehmen, ist oft seitens der Polizeibeamten zu vernehmen, dass das Fertigen einer Tonaufnahme oder das Filmen illegal sei. In mehreren Fällen haben die Polizeivollzugsbeamten auch schon das eingesetzte Smartphone beschlagnahmt und ein Ermittlungsverfahren gegen die aufnehmende Person eingeleitet. In diesem Gutachten soll es darum gehen, ob solche polizeilichen Maßnahmen in Sachsen rechtmäßig sind oder ob Versammlungsteilnehmer und Spaziergänger das Recht haben, polizeiliche Maßnahmen in Bild und Ton aufzunehmen.

Ausgangspunkt

Ausgegangen wird von der Situation, dass Beamte des Polizeivollzugsdienstes im öffentlichen Verkehrsraum unter freiem Himmel und in räumlicher Nähe zu mehreren weiteren Personen eine polizeiliche Maßnahme gegenüber einem Dritten durchführen. Dies kann etwa eine Ingewahrsamnahme, eine Identitätsfeststellung oder die Durchsuchung einer Person sein.

Eine bisher unbeteiligte Person (P) kommt hinzu und nimmt den Polizeieinsatz wahr. Sie nimmt ihr Smartphone in die Hand und beginnt damit, ein Video aufzunehmen. Hierbei nimmt sie sowohl Bild- als auch Tonaufnahmen auf.

Einer oder mehrere beteiligte Polizeivollzugsbeamte nähern sich und fordern P auf, umgehend die Aufzeichnung von Tonaufnahmen zu beenden, weil dies strafbar sei. Sollte die filmende Person dem nicht nachkommen, werde das Smartphone sichergestellt und ein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet werden.

Ermächtigungsgrundlage

In Bezug auf polizeiliches Handeln ist zwischen einem präventiven und einem repressiven Verhalten zu unterscheiden.

Präventives Handeln der Polizei (Gefahrenabwehr)

Zu klären sind die notwendigen Voraussetzungen im Fall von präventivem Handeln des Polizeivollzugsdienstes.

Rechtsgrundlage und formelle Rechtmäßigkeit

Die rechtliche Grundlage für ein präventives Tätigwerden in den entsprechenden Fällen bilden in Sachsen das Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz (SächsPVDG) sowie eventuell das Sächsische Versammlungsgesetz (SächsVersG). Die polizeilichen Standardmaßnahmen der Identitätsfeststellung sowie der Sicherstellung einer Sache sind in den §§ 15 und 31 SächsPVDG geregelt. Ebenso werden die Verfahrens- („Anhörung“) und Formvorschriften („Begründung“) im Rahmen der Maßnahme als gewahrt angesehen, sollte man in der Durchführung der polizeilichen Standardmaßnahmen einen Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG) anstatt eines Realaktes sehen.

Materielle Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme

Voraussetzung für die Durchführung einer Identitätsfeststellung nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 SächsPVDG ist das tatbestandsmäßige Vorliegen oder Drohen einer Gefahr. Im Falle der Sicherstellung eines Smartphones gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 SächsPVDG muss diese Gefahr gegenwärtig sein.

Gefahr und gegenwärtige Gefahr

Die Begriffe „Gefahr“ und gegenwärtige Gefahr sind in § 4 Nr. 3 a) und b) SächsPVDG definiert. So stellt eine Gefahr eine Sachlage, bei der im Einzelfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird, dar. Eine gegenwärtige Gefahr ist eine Sachlage, bei der das schädigende Ereignis bereits begonnen hat oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht.

Öffentliche Sicherheit oder Ordnung

Dies wiederum wirft die Frage auf, was konkret von dem notwendigerweise vorliegenden Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung umfasst ist. Auch dies lässt sich in § 4 Nr. 1 und 2 SächsPVDG nachlesen.

So umfasst die öffentliche Sicherheit die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie des Bestandes, der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt. Die öffentliche Ordnung erstreckt sich auf die Gesamtheit der im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung liegenden ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten Zusammenlebens betrachtet wird. Die öffentliche Ordnung ist hierbei jedoch nicht einschlägig. Einzig relevant ist im genannten Kontext ist die Möglichkeit, dass das Filmen des Polizeieinsatzes die öffentliche Sicherheit in Form der Unverletzlichkeit der Rechtsordnung berührt. Diese Unverletzlichkeit der Rechtsordnung erstreckt sich auch auf Bestimmungen des Strafgesetzbuches (StGB), insbesondere auf § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB, der eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes unter Strafe stellt. Erforderlich ist also, dass zumindest eine Anscheinsgefahr in Bezug auf eine strafbare Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gegeben ist. Das setzt voraus, dass der handelnde Beamte vertretbar von einer Sachlage oder einem Verhalten (also von dem Fertigen von Tonaufnahmen des Polizeieinsatzes) ausgeht UND auch vertretbar davon ausgeht, dass diese Sachlage oder dieses Verhalten bei ungehindertem Ablauf des Geschehens mit Wahrscheinlichkeit ein polizeilich geschütztes Rechtsgut schädigen wird.1 Der Polizeivollzugsbeamte muss also davon ausgehen, das Filmen des Einsatzes samt Tonaufnahmen verletze die Rechtsordnung, weil darin eine strafbare Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 Abs. 1 Nr. StGB liege. Darauf, ob ein handelnder Beamter in vertretbarer Form davon ausgehen darf, ein Filmen des Einsatzes stelle eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes dar, werde ich gleich eingehen.

Repressives Handeln der Polizei (Strafverfolgung)

Denkbar ist auch, dass die Beschlagnahme des Smartphones sowie das Aufnehmen der Personalien des Filmers der Strafverfolgung dienen sollen. Dies wird maßgeblich durch die Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) bestimmt. Grundsätzlich haben die Beamten des Polizeidienstes die Pflicht, Straftaten zu erforschen und Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit ihre Befugnisse im Einzelnen nicht anderweitig gesetzlich geregelt sind (§ 163 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO).

So regelt die Vorschrift des § 163b Abs. 1 StPO die Befugnis der Polizeibeamten, gegenüber dem Verdächtigen einer Straftat die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Sie darf den Verdächtigen, wenn eine Identitätsfeststellung ansonsten nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist, sogar festhalten sowie ihn und seine Sachen durchsuchen (§ 163b Abs. 1 S. 3 StPO). Tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Identitätsfeststellung nach der StPO ist demnach grundsätzlich das Vorliegen des Anfangsverdachts einer Straftat.

Die Sicherstellung von Gegenständen, etwa Smartphones, die beim Filmen genutzt worden sind, ist auch für die Fälle der Strafverfolgung in der StPO festgelegt. Nach § 94 Abs. 1 StPO sind Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, in Verwahrung zu nehmen oder anderweitig sicherzustellen. Soweit eine Person Gewahrsam, also Besitz an einem derartigen Gegenstand hat und diesen nicht freiwillig herausgibt, darf die Polizei den Gegenstand auch beschlagnahmen (§ 94 Abs. 2 StPO). Sowohl für eine Sicherstellung wie auch eine Beschlagnahme von Gegenständen ist es daher ebenfalls erforderlich, dass der Anfangsverdacht einer Straftat besteht.

Ein Anfangsverdacht einer Straftat liegt dann vor, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen. Das ist der Fall, wenn die Möglichkeit einer strafbaren Handlung besteht.

Zwischenfazit

Eine Identitätsfeststellung des Filmers oder eine Beschlagnahme/Sicherstellung des Smartphones erfordern sowohl bei einem präventiven Tätigwerden der Polizei als auch zum Zwecke der Strafverfolgung, dass die Polizei von der Anscheinsgefahr oder dem Anfangsverdacht des Vorliegens einer Straftat ausgeht. Dies ist gegeben, wenn sie in vertretbarer Weise davon ausgeht, dass das Filmen des polizeilichen Einsatzes in Verbindung mit Tonaufnahmen möglicherweise ein strafbares Verhalten darstellt.

Tonaufnahme einer polizeilichen Maßnahme als strafbare Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

Wie es oft von Polizeivollzugsbeamten vorgetragen wird, soll das Fertigen einer Tonaufnahme von dem Polizeieinsatz eine strafbare Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes sein.

Dieser Straftatbestand bemisst sich nach § 201 StGB. Hiernach wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt (§ 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht (§ 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört (§ 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB). Schutzgegenstand aller Tatbestände ist das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen.

Unbefugte Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen Wortes eines anderen (§ 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB)

Dazu müsste das Fertigen einer Tonaufnahme des Polizeieinsatzes ein unbefugtes Aufnehmen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes eines anderen auf einen Tonträger sein. Unter „Wort“ ist jede gesprochene Äußerung eines Gedanken zu verstehen.2 Die Aussagen, die ein Polizist gegenüber einem Dritten macht, stellen gesprochene Äußerungen von Gedanken dar und sind somit Worte im Sinne dieser Vorschrift.

Die Worte des Beamten müssten aber auch nichtöffentlich im Sinne dieser Vorschrift gesprochen sein. Wie im Sachverhalt geschildert, finden die genannten polizeilichen Einsätze bei Versammlungen oder „Bürger-Spaziergängen“ in aller Regel unter freiem Himmel und im öffentlichen Verkehrsraum statt. Es sei nochmal darauf hingewiesen, dass im Sachverhalt erwähnte aufgenommene Konversation in räumlicher Nähe zu mehreren weiteren Personen stattfindet. Nicht öffentlich ist das Wort, wenn es nach dem Willen des Sprechers nicht an einen nach Zahl und Individualität unbestimmten oder durch persönliche Beziehungen innerlich unverbundenen größeren bestimmten Kreis von Personen gerichtet und auch objektiv für einen solchen Kreis nicht im Sinne verstehenden Mithörens wahrnehmbar ist.3 Nichtöffentlich sind Gespräche oder Diskussionen, wenn der Teilnehmerkreis individuell begrenzt ist, das heißt nicht einem beliebigen Zutritt offen steht. Daher kommt es nicht auf die Zahl der Zuhörer, sondern auf die Abgeschlossenheit des Gesprächskreises an.4 Darauf, ob die Äußerung einen dienstlichen oder privaten Charakter hat, kommt es nicht an. Auch die Worte von Amtsträgern in dieser Eigenschaft werden hiervon umfasst.5 Grundsätzlich unterfallen auch polizeiliche Kontrollen dem Schutzbereich des § 201 (StGB), es sei denn es besteht bereits eine faktische Öffentlichkeit, bei welcher weitere Personen mithören können (z. B. in einem frequentierten Bahnhofsgebäude).6 Bestehen bei Gesprächen Mithörmöglichkeiten für andere unbeteiligte Personen, können sie ihren ansonsten privaten Charakter einbüßen (faktische Öffentlichkeit). Hierunter fallen auch laut gesprochene Worte auf Straßen und Plätzen.7

Das Landgericht Kassel hatte in seinem Beschluss vom 23.09.2019, Aktenzeichen 2 Qs 111/19, einen ähnlichen Fall zu behandeln, in welchem eine Frau im Vorfeld einer Großdemonstration die polizeiliche Kontrolle ihres Freundes gefertigt hatte. In Folge dessen hatte die Polizei ihr Smartphone beschlagnahmt. Das Gericht führt in seinem Beschluss aus, dass es für das Vorhandensein einer faktischen Öffentlichkeit entscheidend sei, ob der Zuhörerkreis abgeschlossen sei und ob eine Kontrollmöglichkeit über die Reichweite der Äußerung bestehe. Abzustellen sei auf solche Umstände, die für diejenigen Personen, deren Kommunikation betroffen sei, auch offen erkennbar sind. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich in unmittelbarer Reichweite der polizeilichen Maßnahme mindestens zwei weitere von den Maßnahmen betroffene Personen sowie ein halbes Dutzend weiterer „Nichtpolizeibeamter“ befunden habe, welche das gesprochene Wort hören konnten. Das Landgericht Kassel hat dies ausreichen lassen, um von einer Vermutungswirkung zugunsten der faktischen Öffentlichkeit des Gesprächs in der Situation der Personenkontrolle angenommen. Ebenso ist es davon ausgegangen, dass die Aufnahme des Gesprächs zwischen dem Betroffenen der Personenkontrolle und der Polizeibeamten sogar von einer Einwilligung des Betroffenen gedeckt gewesen ist. Es geht davon aus, dass das Einverständnis der kontrollierten Person, welche seine Personalien genannt habe, zu einer Einwilligung des Filmens führe. Die Fragen der Polizeibeamten hätten nur „hinführenden Charakter ohne eigenen nennenswerten Erklärungsgehalt“. Die Einwilligung sei ein bedeutender Rechtfertigungsgrund. Somit war das Fertigen von Tonaufnahmen der Polizeikontrolle also erlaubt gewesen. Die Beschlagnahmung des Smartphones war nach Auffassung des LG Kassel daher rechtswidrig. In Folge dessen hat das Landgericht Kassel den zugrunde liegenden Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Behörde dazu verpflichtet, unverzüglich das Smartphone an die Beschwerdeführerin zurückzugeben.

Nach der Rechtsprechung des Landgerichts Kassel wäre im genannten Sachverhalt das von Polizeibeamten gesprochene Wort also öffentlicher Natur, weil mehrere unbeteiligte Personen, die sich in der Nähe aufhalten, einen nicht abgeschlossenen Zuhörerkreis darstellen. Außerdem hätte die Polizei keine Kontrollmöglichkeit über die Reichweite ihrer Äußerungen gehabt. Somit wäre die Tonaufnahme des Einsatzes nicht rechtswidrig gewesen.

Das Landgericht Osnabrück hat mit einem kürzlich getroffenen Beschluss vom 24.09.2021, Az. 10 Qs 49/21, in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass die Anfertigung vertonter Videoaufnahmen von Polizeieinsätzen im frei zugänglichen öffentlichen Raum regelmäßig nicht den Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt. Dies gelte auch dann, wenn die Äußerungen der eingesetzten Beamten aufgenommen werden. Für die Frage der Herstellung einer faktischen Öffentlichkeit sei sogar nur entscheidend, ob die Kommunikation während des Polizeieinsatzes von einem frei zugänglichen öffentlichen Bereich aus hätte beobachtet und akustisch wie optisch wahrgenommen werden können. Nicht entscheidend sei es, ob eine oder mehrere Personen diese Kommunikation tatsächlich wahrgenommen haben. Das im Zuge einer im öffentlichen Verkehrsraum vorgenommenen Diensthandlung geäußerte Wort sei in faktischer Öffentlichkeit gesprochen, wenn dieser Ort frei zugänglich war. Dem zugrunde lag, dass die Polizeibeamten im öffentlichen Verkehrsraum eine renitente Person fixiert hatten. Der Beschwerdeführer in dem Verfahren hatte davon Video- und Tonaufnahmen gefertigt. Die Polizei hatte daraufhin sein Smartphone wegen des Verdachts einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes beschlagnahmt. Das Landgericht Osnabrück ist in diesem Fall davon ausgegangen, dass im zugrunde liegenden Fall die Beschlagnahme des Mobiltelefons bereits jeder rechtlichen Grundlage entbehrte. Der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung und damit die Voraussetzung einer strafprozessual gemäß den §§ 94, 95 StPO zulässigen Beschlagnahme sei nicht gegeben gewesen.

Auch nach der Rechtsprechung des Landgerichts Osnabrück wäre das im Sachverhalt genannte Fertigen von Bild- und Tonaufnahmen rechtmäßig gewesen, allein schon weil es im frei zugänglichen öffentlichen Raum erfolgt ist.

Nach dem Urteil des Landgerichts München vom 11.02.2019, Az.: 25 Ns 116 Js 165870/17, soll demgegenüber das Fertigen von Bild- und Tonaufnahmen eines Polizeieinsatzes rechtswidrig sein, wenn der Betroffene der polizeilichen Maßnahme extra zur Seite genommen wurde, um seine Personalien festzustellen und die Worte der Polizeibeamten ausschließlich an den Betroffenen der polizeilichen Maßnahme gerichtet sind. Zu bemerken ist aber, dass sich in dem zugrunde liegenden Sachverhalt nur eine einzelne Person in unmittelbarer Nähe zu der betroffenen Person befunden hat. Außerdem hat das Landgericht Osnabrück in der vorgenannten Entscheidung ausdrücklich die Entscheidungsgründe des Landgerichts München für die Annahme einer faktischen Öffentlichkeit als nicht maßgeblich angenommen. Es ist unklar, wie das Landgericht München über die Bestimmung der Worte von Polizeibeamten entscheiden würde, wenn die von der polizeilichen Maßnahme betroffene Person nicht zur Seite genommen würde und das Geschehen in akustischer Wahrnehmbarkeit von mehreren Personen stattfindet. Da der vom Landgericht München zugrunde gelegte Sachverhalt sich jedoch in Bezug auf die Separierung des Betroffenen und in Abwesenheit mehrerer Personen von dem hier maßgeblichen Sachverhalt unterscheidet, kann die Entscheidung des Landgerichts München für die rechtliche Bewertung dieses Sachverhalts als nicht maßgeblich angesehen werden. Maßgeblich sind die Entscheidungen der Landgerichte Osnabrück und Kassel, weil in diesen Fällen die zugrunde liegenden Tatsachen weitestgehend den hier behandelten Tatsachen entsprechen.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die im genannten Sachverhalt gesprochenen Worte nach ganz überwiegender Rechtsprechung als öffentlich gesprochen gelten. Der Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist damit nicht erfüllt.

Gebrauch oder Zugänglichmachen der Aufnahme eines aufgenommenen nichtöffentlichen Wortes (§ 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB)

Die Tonaufnahme des Polizeieinsatzes ist auch nicht strafbar nach § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Wenn schon die Aufnahme des gesprochenen Wortes auf einen Tonträger nicht rechtswidrig ist, weil das gesprochene Wort öffentlich gesprochen worden ist, ist der Gebrauch oder das Zugänglichmachen dieser Aufnahme erst recht nicht strafbar. Das aufgenommene gesprochene öffentliche Wort wird nicht nachträglich zu einem nichtöffentlich gesprochenen Wort.

Unbefugtes Abhören eines nicht zur eigenen Kenntnis bestimmten nichtöffentlichen Wortes eines anderen (§ 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB)

Darüber hinaus ist die entsprechende Tonaufnahme des öffentlich gesprochenen Wortes mittels eines Smartphones auch kein unbefugtes Abhören eines nichtöffentlichen gesprochenen Wortes eines anderen mit einem Abhörgerät im Sinne von § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB. Erstens ist, wie dargelegt, das gesprochene Wort öffentlich und nicht nichtöffentlich gesprochen worden. Zweitens erfordert die Benutzung eines Abhörgeräts die Verwendung eines besonderen technischen Mittels, mit dem das gesprochene Wort über dessen normalen Klangbereich hinaus durch Verstärkung oder Übertragung unmittelbar wahrnehmbar gemacht wird. Hierunter fallen zum Beispiel Mikrofonanlagen oder Stethoskope.8 Da die übliche Verwendung der Tonaufnahme mittels eines Smartphones den normalen Klangbereich nicht verstärkt oder überträgt, stellt ein Smartphone mit Tonaufnahmefunktion nicht grundsätzlich ein Abhörgerät dar.

Teilergebnis

Das Fertigen einer Tonaufnahme von dem Polizeieinsatz im öffentlichen Verkehrsraum und in akustischer Nähe zu mehreren Personen stellt keine strafbare Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 StGB dar.

Filmen als Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz?

Auch ein Verstoß gegen das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie  (KUrhG) kommt bei dem bloßen Filmen von Polizeibeamten während eines Einsatzes nicht in Betracht. Die §§ 33, 22 und 23 KUrhG stellen lediglich das Verbreiten oder das öffentliche Zurschaustellen von Bildnissen ohne Einwilligung des Abgebildeten unter Strafe. Aufgrund der generellen Unschuldsvermutung kann von dem bloßen Fertigen von Bildaufnahmen nicht auf ein rechtswidriges Verwenden dieser Bildaufnahmen geschlossen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 24.07.2015, Az. 1 BvR 2501/13, klargestellt, dass es gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstieße, wenn das Anfertigen von Lichtbildern oder Videoaufnahmen eines Polizeieinsatzes unter Verweis auf die bloße Möglichkeit einer nachfolgenden strafbaren Verletzung des Rechts am eigenen Bild (nach § 22 Satz 1, § 33 Abs. 1 KunstUrhG) genügen sollten, um polizeiliche Maßnahmen wie eine Identitätsfeststellung (…) durchzuführen. Auch die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung geht grundsätzlich in verfassungskonformer Auslegung der §§ 22, 23 KunstUrhG davon aus, dass unzulässige Lichtbilder nicht auch stets verbreitet werden (vgl. BVerwGE 109, 203 <211>). Gehen die Sicherheitsbehörden demgegenüber davon aus, dass im Einzelfall die konkrete Gefahr besteht, eine solche unzulässige Verbreitung sei ebenfalls zu befürchten, bedarf es hierfür hinreichend tragfähiger Anhaltspunkte.

Zwischenergebnis

Das Fertigen von Bild- und Tonaufnahmen einer polizeilichen Maßnahme begründet weder einen Anfangsverdacht noch einen Gefahrenverdacht in Bezug auf ein mögliches strafbares Verhalten, wenn die Aufnahme des gesprochenen Wortes im öffentlichen Verkehrsraum und in akustisch wahrnehmbarer Nähe zu mehreren Personen erfolgt. Der Polizeivollzugsdienst kann in diesen Fällen nicht in vertretbarer Weise davon ausgehen, dass das Filmen des polizeilichen Einsatzes in Verbindung mit Tonaufnahmen ein strafbares Verhalten darstellt.

Ergebnis

In Fällen, in denen Personen bei Bürgerspaziergängen oder Versammlungen Bild- und Tonaufnahmen von Polizeieinsätzen aufnehmen und diese Einsätze im öffentlichen Verkehrsraum sowie in akustischer Nähe zu mehreren Personen stattfinden, ist der Polizeivollzugsdienst weder zur Identitätsfeststellung des Filmenden, noch zur Sicherstellung oder Beschlagnahmung des eingesetzten Smartphones befugt.

1 Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Auflage, München 2012, § 4 Rn. 47, 48.
2 Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 201 Rn. 2.
3 Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 201 Rn. 2.
4  Graf in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, § 201, Rn. 15.
5 Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 201 Rn. 2.
6 Graf in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, § 201, Rn. 17a.
7 Graf in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2021, § 201, Rn. 18.
8  Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 201 Rn. 5.



 

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