Haben Sie schon einmal etwas vom sogenannten Pressekodex gehört? Dieser Pressekodex, auch als Sammlung „publizistischer Grundsätze“ bekannt, existiert seit dem Jahr 1973. Er ist verabschiedet worden vom Deutschen Presserat und legt die Richtlinien für die journalistische Arbeit fest. Die allermeisten deutschen Verlage bekennen sich dazu, den Pressekodex zu achten. Er umfasst inhaltlich insgesamt 17 Oberpunkte.
Gleich als ersten Grundsatz benennt der Pressekodex die Achtung vor der Wahrheit sowie die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit als oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahre auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.1 Welcher Zweifler könnte gegen dieses hehre Ziel einer wahrhaftigen Berichterstattung etwas einwenden? Vermutlich keiner.
Heute allerdings bekam ich wieder einmal eine Meldung zu Gesicht, die mich daran zweifeln ließ, ob heutige Vertreter der journalistischen Zunft vom Inhalt dieser publizistischen Grundsätze überhaupt jemals eine Kenntnis vermittelt bekommen haben. Anlass meiner Überlegungen war folgendes:
Der baden-württembergische Landesverband der AfD hielt am Wochenende vom 4. bis zum 5. März 2023 seinen Landesparteitag in Offenburg ab. Bestimmte Personen, ganz überwiegend aus dem politisch linken bis linksextremen Spektrum, führten zeitgleich in der Nähe des Landesparteitags zwei Demonstrationen gegen den Parteitag der AfD durch. Teilnehmer der ersten Demonstration verstießen gegen Versammlungsauflagen, indem sie ein bengalisches Feuer zündeten und ein Transparent benutzten, das die zulässige Länge überschritt. Die Polizei ließ diese Teilnehmer unbehelligt gewähren.
Die zweite Versammlung, bestehend aus circa fünfhundert Personen, setzte sich vor dem vereinbarten Zeitpunkt vom Startpunkt nahe dem AfD-Landesparteitag in Bewegung. Eine Polizeisprecherin bezeichnete die Gruppe dieser Teilnehmer als „vorwiegend dunkel Gekleidete“, wobei ich als Polizist außer Dienst mit über 20jähriger Berufs- und Einsatzerfahrung davon ausgehen darf, dass die damit gemeinten Aufzugsteilnehmer wohl kaum dem Schornsteinfegerhandwerk angehören dürften. Diese Personengruppe hatte Banner und Plakate zu einem riesigen Transparent verknotet, das es der Polizei erschweren sollte, Straftaten aus dem Kreis der Demonstranten (typischerweise das Abbrennen von Pyrotechnik oder Flaschenwürfe auf Polizisten) zu beobachten. Weiterhin waren nicht genügend Ordner vorhanden. Der Aufzug setzte sich in Bewegung und bog unabgestimmt in den fließenden Verkehr ein. Polizisten, die versuchten, diesen Zug zu stoppen, wurden zur Seite gedrängt. Der Aufforderung, die unfriedlichen Aufzugsteilnehmer auszuschließen, kam der Versammlungsleiter nicht nach. Die gewaltbereiten Demonstranten schoben die Gruppe von Polizisten 200 Meter vor sich her. Hierbei schlugen sie die Polizeikräfte. Die Polizei wandte daraufhin unmittelbaren Zwang durch den Einsatz von Schlagstöcken an.
Im Fortgang besprühten die Gewalttäter die Polizeibeamten zielgerichtet mit einem Feuerlöscher. Dutzende Polizeibeamte erlitten hierdurch Atemwegsreizungen; 17 davon wurden hierdurch nach Angaben der Polizei dienstunfähig. Weitere Polizeibeamte erlitten Prellungen und Abschürfungen durch die gewalttätigen Linkschaoten. Insgesamt wurden 53 Polizeibeamte verletzt. Dem gegenüber stehen nach Angaben der Polizei zwei verletzte Aufzugsteilnehmer.2 Dies ergibt ein zahlenmäßiges Verhältnis von 96,36% verletzten Polizeibeamten zu 3,63% verletzen Demonstranten.
Und was macht die Presse daraus? Führt die Achtung vor der Wahrheit zu kollektiven journalistischen Leitartikeln über die enthemmte linksextreme Gewalt gegen Einsatzkräfte? Bringt die journalistische Wahrheitspflicht die Medien geschlossen zur Feststellung, dass linksextreme Gegner des AfD-Parteitags erhebliche Gefahren für die körperliche Unversehrtheit anderer Menschen mit sich bringen?
Sie entnehmen sicherlich meiner rhetorischen Frage, dass mitunter das genaue Gegenteil der Fall war. Die „Upday GmbH & Co. KG“, die sich rühmt, Europas beliebteste Nachrichten-App mit einer Reichweite von mehr als 25 Millionen monatlichen Nutzern in 34 Ländern zu betreiben, welche auf „großer journalistischer Expertise“ basiere3, betitelt ihre Meldung vom 5.3.2023 mit den fett gedruckten Worten: „55 Verletzte bei Ausschreitungen rund um AfD-Treffen“.4 Darunter abgebildet sind 3 Polizeikräfte, die ihre Tonfas in Händen halten und vor einem Block aus schwarz gekleideten Personen stehen. Dieses Bild wird kommentiert mit den Worten: „Baden-Württemberg, Offenburg: Polizisten schlagen mit Schlagstöcken auf Demonstranten ein, um den Demonstrationszug gegen den Landesparteitag der AfD Baden-Württemberg zu stoppen.“
Es ist meines Erachtens offensichtlich, dass bei einem unbefangenen Leser dieser Meldung, vor allem wenn dieser die Nachricht lediglich am Smartphone verfolgt und sich möglicherweise nur die ersten Zeilen vergegenwärtigt, der Eindruck entsteht, die Ausschreitungen würden tatsächlich in irgendeinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Mitgliedern der AfD anlässlich ihres Landesparteitags stehen. Mit keiner Silbe und keinem Schlagwort wird die politische Orientierung der Gewalttäter benannt. Lediglich auf anderen Aufnahmen des Geschehens anderen Pressemeldungen kann man rote Fahnen und Antifa-Abzeichen erkennen. Und das alles erfolgt in Anbetracht der Tatsache, dass von Mitgliedern der Partei Alternative für Deutschland bei diesem Parteitag selbstverständlich nicht eine einzige Straftat verübt wurde. Auch der Fokus des einzigen Bildes dieser Meldung auf drei Polizeibeamte mit der Kommentierung „Polizisten schlagen mit Schlagstöcken auf Demonstranten ein (…)“ verdreht wahrheitswidrig die Tatsache, dass Auslöser und Hauptanteil aller Gewaltanwendung von den Linksextremen ausging. Seien Sie versichert: Polizeibeamte und sonstige Einsatzkräfte ärgert eine solche Falschberichterstattung genau so sehr wie alle staatsbürgerlich vorbildlich handelnden Anhänger der AfD.
Ich werde mich mit dieser Irreführung durch die angebliche Qualitätspresse niemals abfinden. Wer die Öffentlichkeit derart unwahrhaftig unterrichtet, darf sich nicht wundern, wenn das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Hauptstrommedien schon heute aus Sicht von Millionen von Bürgern gegen Null tendieren.
Übrigens: der Deutsche Presserat als Organ der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse bietet Lesern an, bei Verstößen gegen die Grundsätze des Pressekodex eine Beschwerde die jeweilige Redaktion zu erheben. Dies kann jeder Leser auf der Netzseite: https://www.presserat.de/beschwerde.html selbst vornehmen. Stellt der Presserat einen Verstoß gegen die publizistischen Grundsätze fest, kann er gegenüber der jeweiligen Redaktion einen Hinweis, eine Missbilligung oder eine öffentliche Rüge aussprechen. Ob der Presserat hiervon Gebrauch macht, vermag ich nicht einzuschätzen. Dennoch gilt auch hier der Grundsatz: „Wo kein Kläger, da kein Richter.“ Wir alle sollten also künftig bei offensichtlichen Verstößen gegen die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit und/oder Verstößen gegen die journalistische Sorgfaltspflicht unserer Klage auch Ausdruck verleihen. Denn nur wer sich traut, den Mund aufzumachen, kann auch etwas zum Guten verändern.
Ihr Steffen Janich MdB
Quellen